Die Fahreindrücke des Redakteurs und Rennfahrers Berzerk mit der K3 GSX-R auf der Rennstrecke von Phillip Island. Er schreibt für das Motorsportmagazin "Der Reitwagen"
Phillip island ist schnell. Im Kurvenverlauf reisst es Dich mit einem Fetzen durch, den es nirgendwo sonst auf der Welt gibt. Genau die Grenze, an der du am Abend vor den Tests nicht ganz sicher weißt, ob du dich nicht wimmernd im Badezimmer einsperren solltest. Der entscheidende Schritt zum Genuss kommt auf der Insel erst mit einem klarem Selbstbekenntnis, das sie dir im Hirn nicht alle Schrauben festgezogen haben.
Und selbstverständlich führen sie dich nicht auf die Insel, um einen Elektroroller auszuprobieren.
Am Kurvenausgang vor start und Ziel greift der neue Suzukimotor bei weit über 200 ins Getriebe, dass mir (und dem Hinterreifen) die Tränen kommen. Durch den enormen, kreischenden Hammer stemmt sich die Suzuki spürbar gegen den hohen Luftwiderstand und reißt den Reifen noch früher durch als auf den langsameren Strecken. Während sich das Heck unter dem massiven Beschleunigungsdruck zuerst niedersetzt und dann langsam mit einer fetten Gummispur nach außen schiebt, sind die Rückmeldungen am Griff so klar, sensibel und einfach, dass kein Zweifel bestehen kann. Der Motor ist vor allem oben eine einsame Kategorie. Dreht härter aus, überschüttet dich mit mehr Feedback als du brauchen kannst und überspringt das Drehzahllimit der alten GSX-R mit einer aggressiven, aber noch besser kontrollierbaren Spitze. Die lange Zielgerade zum Meer hinunter zwingt dich normalerweise auf anderen Maschinen zum Abwarten und Schwung sammeln. Kommt fast so was wie Reisestimmung auf mit schwächeren Motoren. Auf der Tausender GSX-R reißt der brutale Beschleunigungsdruck und die Genickstarre aber absolut nirgends ab. Schiebt und schiebt, dass die Ziffern am Digitaltacho durchflimmern wie die Skalen an der Zapfsäule, wenn Du einen Cadillac volltankst.
Die erste Ecke nach Start/Ziel heißt Doohan. Angeblich weil es den Meister selbst hier dreimal hintereinander heruntergerissen hat. Das kann ihm keiner Übelnehmen. Die Doohan ist mit einem enorm weiten Radius angelegt, der die Gangauswahl im perfekt leichten und genauen GSX-R-Getriebe vereinfacht. Aus 290 einmal runterklicken, am Lenker reißen, Gerät aufs Knie pracken. Das merkt man sich leicht und lang. Man erinnert sich ja gern, wenn man später nachts schreiend aus dem Bett kugelt.
Doohan ist so beschaffen, dass du in dieser Rechtskurve allein das ganze Motorrad erkennst. Rund 260 an der schrägen Haftgrenze, mitten im Scheitel eine Bodenwellen-Serie, die das Vorderrad ein, zwei Mal vom Boden kickt und ein weitläufiger offener Kurvenausgang, in dem der Motor wie immer gnadenlos ins Chassis fährt.
Guter Moment, um übers Fahrwerk zu sprechen. Suzuki tut eigenartiger Weise sehr unauffällig, hat aber ordentlich investiert. Schön und gut. Die Änderungen am 1000er Fahrwerk sind den Ingeneuren aber nicht nur zum Spaß für die Mittagsfahrt auf den gaisberg eingefallen. Die Racing-Voraussetzungen, auf die die neuen Superbike-Reglements wie ein langer Schatten fallen, haben die Japaner ans Reißbrett getrieben.
Die GSX-R ist massiv versteift worden. Extrudierte Aluprofile, die den geschmiedeten Lenkkopf mit der ebenfalls geschmiedeten Schwingenaufnahme verbinden, weisen zwei Längsspanten auf, die den Rahmen spürbar genauer arbeiten lassen und unempfindlicher gegen Brezn machen. Letzteres ist im Rennsport ein wichtigeres Kriterium, als man von draußen mitbekommt. Wenn die Techniker öfters nur die Zeit zwischen Warm-Up und Rennen haben, um ein im Schotter komplett niedergeschundenes Superbike wieder auf siegestauglich zu schrauben, entscheidet ein unverwundbarer Rahmen über Erfolg oder Katastrophe. Für Privat-Racer ist der rahmen, der härtere Abstiege ohne Verbiegen überlebt, manchmal die Entscheidung zwischen Weitermachen, Bankrott oder ewig mitgeschleppten, undefinierbaren Fahrwerksproblemen.
Wenn das Chassis nicht mehr mitmacht und aufhört, das Gefühl für den Reifen zu transportieren, wird das Ganze eine ziemlich gottbefohlene Aktion. In dem Punkt steht die neue GSX-R eine Kopf hoch über der Alten.
Selbst als die harten Bodenwellen der Doohan genau dort einschlagen, wo der Druck übers Vorderrad am massivsten eingreift, macht die Suzuki keinen Rührer. Obwohl die 1000er geschlagen, gepresst, gedrückt und geprügelt wird, zucken die Räder nicht im kleinsten Ansatz aus der Spur, werden im Feeling nicht einmal undefiniert. Sensationelle Serienabstimmung.
Auf der neuen Radial-Bremse kommt die GSX-R ebenfalls präziser und härter als früher. Der vordere Bridgestone beißt so in den Boden, dass sich die Bremsleistung guten Racing-Komponenten auf Tuchfühlung nähert. Bis man den vorderen Gummi mit seiner eher stabilen, runden Sicherheitskontur auf der Bremse in Schräglage wirklich spürt, vergehen ein paar runden, in denen man ihm nicht gleich traut, aber die verzeihende, konstante Performance der Brückensteine ist dieses Mördereisens in jedem Fall würdig. Die hintere 190er Walze franst nach 20 Minuten-Durchgängen kaum aus, obwohl die Mischung auf der Inselrunde fast nirgends ruhigen Kraftschluss zwischen Boden und Rad findet. Die Maschine reißt die Walze auf 80% der Pistenlänge hart durch, wenn man das so aus den endlosen Gummispuren auf der ganzen Strecke lesen kann.
Ausdrehen wird mit Brutalität belohnt. Über 200 wird die neue GSX-R der alten ganz normal über die Hörner fahren. Weit und breit keine Gefahr, wenn wir von Supersport-Eisen reden.
Wird nicht viele geben, die ihren Lohn auf der Stoppuhr ablesen werden, aber der Umgang mit so einem Erdbeben ist ein ganz anderes Kapitel. Ziemlich unerwartet ist die GSX-R aber gleichzeitig sanfter geworden. Mit der größeren Rechnerleistung stopft Suzuki deutlich mehr Mappings in den Boardcomputer, die meistens in den unteren Gängen, traktionsfreundliche, lastwechselfreie Milde walten lassen und nicht alles hergeben, was da ist.
So viel mal (gekürzte Version) von meinem Lieblingstester in meiner Lieblingszeitschrift. Werde später mal die neuen 10 GSX-R Gebote abtippseln.