http://www.dasgelbeforum.de.org/forum_entry.php?id=207581
Die grausame Wahrheit, dass Reaktor 3 - bei dem ja nun nur bekannt ist, dass er wie 1 explodieren könne (also wohl wird) - mit MOX-Brennstäben (unter Gefahr von Plutoniumaustritt - sehr gut verteilbar - hochgiftig) gefahren wird, kommt in den MSM bisher nicht vor.
"Im Erdbebengebiet musste auch die Wiederaufbereitungsanlage Rokkasho mit Notstrom gekühlt werden. "Hier liegen rund 3000 Tonnen hochradioaktiver abgebrannter Brennstoff", sagte der international tätige Atomexperte Mycle Schneider. Das entspreche etwa der Menge an Brennstoff, die in 25 bis 30 Atomreaktoren gelagert wird. "Wenn die Brennstäbe nicht gekühlt werden, entzünden sie sich selbst", erklärte Schneider. Radioaktivität könne dann unter Umständen austreten."
http://www.dasgelbeforum.de.org/forum_entry.php?id=207540
Erster Versuch: FAQ - Fragen und Antworten zur japanischen Atomkatastrophe [edit: mit Nachtrag]
verfasst von CrisisMaven , 13.03.2011, 00:41
(editiert von CrisisMaven, 13.03.2011, 01:35)
Mein in Aussicht gestellter ausfuehrlicher Beitrag wird sich noch etwas hinziehen - ich will ja, dass es unangreifbar "sitzt", damit daraus auch in Deutschland ab Montag (hoffentlich) politische Konsequenzen gezogen werden koennen.
Daher hier vorab nur ein paar Fragen und Antworten zur japanischen Atomkatastrophe.
Frage: Was kann im schlimmsten Fall passieren?
In Europa: Trotz aller Hektik und Aufregung meines Erachtens hinsichtlich Radioaktivitaet wenig (siehe aber Gesamtfolgenbetrachtung unten). Da, wie anderwaerts u.a. hier im Thread beschrieben, bei Atomkraftwerken, anders als bei Atombomben, die radioaktiven Stoffe in relativer Bodennaehe austreten (wenige hundert Meter Hoehe vermutlich maximal), werden diese ueberwiegend "lokal" wieder herunterkommen. Auch die gasfoermigen Radionuklide (i.W. Tritium = radioaktiver Wasserstoff und radioaktive Edelgase sowie sublimiertes radioaktives Jod) werden zuerst entweder China ueberqueren muessen oder den amerikanischen Kontinent, um zu uns zu gelangen, wenn mich meine geographischen Studien nicht voellig in die Irre fuehren.
Was aber als Wolke oder Luftstroemung an einem Ende eines Kontinents anfaengt, kommt selten unbeschadet ueber Gebirgszuege bis zur anderen Seite desselben Kontinents, sondern regnet zwischenzeitlich an Gebirgszuegen ab.
In Asien/USA: Ich denke, in erster Naeherung kann man als Daumenregel sagen, die radioaktive Belastung wird ungefaehr ueberall dort und in ungefaehr aehnlichem Masse Bedeutung erlangen, wo auch vor dem von dem die Katastrophe in Japan verursachenden Tsunami gewarnt wurde. Wenn in Japan 10m Tsunami-Welle ankamen und woanders 2m, dann wuerde das heissen, an der anderen Kueste kommt hoechstens ca. ein Fuenftel der radioaktiven Belastung an wie in Japan, eher noch weniger, denn das Erdbeben lag ja nicht an der Kueste, an der nun die Radioaktivitaet austritt, sondern meerwaerts, diese grobe Faustregel ueberschaetzt also das Radioaktivitaets-Risiko und ist ein sehr konservativer, ueberhoehter Wert. Alle anderen Regeln sind ebenso Kaffessatz-Leserei, denn zwar kann man meteorologisch Winstroemungen und -geschwindigkeiten messen und vorhersagen, nicht aber, wann welchem Wind wieviel Radioaktivitaet mitgegeben wurde. Man weiss zwar, wann der Postbus faehrt, wieviel Briefe er aber befoerdert haengt davon ab, wieviele aufgegeben wurden.
Da das Atomkraftwerk nicht kontinuierlich gleiche Mengen radioaktiver Substanzen freisetzen wird, kann man also nicht sehr genau sagen, wieviel wo ankommt.
In Japan selbst: Angeblich blaest der Wind auf's Meer hinaus. Ich halte das fuer einen guetigen Zufall, wenn es denn wahr ist. Tagsueber jedenfalls erwaermt die Sonne die Luft ueber Land mehr als ueber Wasser und daher steigt sie dort auf und laesst kaeltere Luft vom Ozean landeinwaerts stroemen, man hat also bei Sonne stets einen landeinwaerts wehenden Wind. Das ist die Grundregel, alles andere seltene Ausnahmen; warum es in Japan anders sein sollte, weiss ich nicht
Dann wuerde die Radioaktivitaet von der Gegend Sendai/Fukushima auch Yamagata und dann in gewissem Grade auch Tokio bedrohen. Was in mehreren zehn Kilometern um Fukushima herum derzeit landwirtschaftlich genutzt wird, wird auf Jahre oder Jahrzehnte hinaus brachliegen muessen, ob und durch wen (Alte/Rentner statt Menschen im gebaerfaehigen Alter!) die Gegenden noch bewohnt werden koennen, das zu beurteilen ist es noch zu frueh.
Wenn es ganz schlimm kaeme, ist aber auch eine Verseuchung mit hunderttausenden in Tagen, Wochen und Monaten sterbenden und Millionen Spaettoten durchaus im Rahmen des Moeglichen. Atomkraft ist mit nichts vergleichbar, auch nicht mit Seveso oder Bhopal.
Ob man japanischen Reis etc. aus den betroffenen Gegenden, oder ueberhaupt aus Japan, noch wird vermarkten koennen, wird immer zweifelhafter. Da auch grosse Meeresregionen verseucht sein werden, gilt gleiches fuer Fischerei etc.
Also: Australien, Korea, China, USA/Kanada und Suedamerika, auch Russland, bekommen vermutlich mehr ab als wir in Deutschland und selbst wenn, was zu befuerchten steht, in Fukushima mehr Radioaktivitaet austritt als seinerzeit in Tschernobyl, wird bei uns dennoch weniger ankommen als damals 1986 bei uns.
Frage: Wie ist die derzeitige Lage in Fukushima?
Der AKW-Betreiber hat bereits in der Vergangenheit einen fatalen Hang zu Fehlinformationen bewiesen, und um eine Massenpanik mit Millionen Fluechtenden in einem uebersiedelten Land wie Japan zu verhindern, wird auch die Regierung kraeftig luegen.
Das japanische Regierungssystem ist ohnehin so wie das italienische von der organisierten Kriminalitaet (Yakuza) durchsetzt.
Ich kann also nicht erkennen, dass oeffentliche Berichte viel mit der Wahrheit zu tun haben muessten.
- Da es wohl in Fukushima I eine Knallgasexplosion gegeben hat,
- da die innere Stahlhuelle (sog. "Containment") vor der aeusseren Betonhuelle liegt
- da das Knallgas im Innern, also innerhalb des Containment erzeugt wird (von der ionisierenden Strahlung und der Zersetzung des Wassers am heissen oder gar geschmolzenenen Reaktorbrennstoff und Brennstabmetallen usw.),
- da die aeussere Betonhuelle dadurch gesprengt wurde
muesste also das Containment, das zwischen der Explosionsursache und der aeusseren Betonschale liegt, heile geblieben sein, obwohl es zwischen zerstoerter Aussenhuelle und Knallgasquelle liegt.
Wenn die japanische Regierung mir zeigt, wie sie den Inhalt eines Ueberraschungs-Eis herausbekommt, ohne erst die Schokoladenhuelle zu beschaedigen, glaube ich ihr auch, dass das Containment noch heil ist.
Natuerlich gaebe es die rein theoretische Moeglichkeit, dass das Knallgas erst ueber ein Leck "vollstaendig" zwischen Stahl- und Betonhuelle gesickert und dann dort explodiert waere. Das waere so, wie wenn die Zuendkuerze im Zylinder feuert, aber der Tank im Heck explodiert. Was es nicht alles gibt.
Ist das Containment offen, dann kommt eine grosse Menge radioaktiver Nuklide nach aussen, das, was man den eigentlich nie moeglichen Super-Gau nennt - weder ist das vorgesehen, noch gibt es Vorkehrungen dagegen, denn der Fall gilt ja als offiziell unmoeglich, noch ist er beherrschbar, denn weil er es nicht ist, darf er ja nicht auftreten bzw. wenn er moeglich waere, haette man keine AKW bauen duerfen und wollen!
Frage: Was kann noch passieren?
A) Weitere Reaktoren koennen steuerungslos werden. Wovor ich seit Jahrzehnten warne, ist, dass in Reaktorparks, an denen mehrere AKW dicht an dicht stehen, die anderen dann nicht mehr gesteuert und gewartet werden koennen, wenn in einem von ihnen soviel Radioaktivitaet austritt, dass Arbeiten an anderen nicht mehr moeglich sind (wegen Lebensgefahr, d.h. wenn nach fuenf Minuten die Lebensarbeitsdosis an Radioaktivitaet ueberschritten ist, muesste man allein in einer Acht-Stunden-Schicht 96 komplette Mannschaften verschleissen, in 24 Stunden ca. 300 usw., die man vorher aber mehrere Jahre auf ihre kurze Aufgabe vorbereiten und ausbilden haette muessen). Ha ha.
B) Die nahegelegene Wiederaufarbeitungs-Anlage in Rokkasho ist derzeit ohne Strom. Wie beschrieben lauern hier noch um ein Vielfaches groessere Gefahren als in den derzeit und in Zukunft evtl. nicht beherrschbaren Reaktoren.
Versagen dort Kuehlung und Umwaelzung, ist halb Japan womoeglich auf Dauer unbewohnbar.
Frage: Gesamteinschaetzung?
Das weniger starke Erdbeben von Kobe hat damals eine 1%ige Schrumpfung des japanischen Bruttoinlandsproduktes bewirkt. Damals waren weder Tsunami-Schaeden noch Atomkraft-Havarien zu beklagen.
Wenn es damals 1% waren, dann werden es derzeit mindestens 2% vom BIP, wenn alles noch mal gut geht. Treten die o.g. Szenarien ein, sind volkswirtschaftliche Schaeden von 5% bis 50% des BIP denkbar. Es ist denkbar, dass Japan sich danach auf dem Niveau der Ukraine wiederfindet, dass es erst gegen Ende dieses Jahrhunderts wieder auf dem Stand von vor einer Woche ist!
Wenn man bedenkt, dass am 11. September 2001 nur zwei laecherliche Tuerme zerstoert wurden, aber damals die Weltwirtschaft beinahe kollabiert waere, dann muessten die Auswirkungen der japanischen Katastrophe ein Mehrfaches betragen. Da die Weltwirtschaft bereits fragil ist, nicht zuletzt, weil beim letzten Mal mit verantwortungslosen inflationaeren Massnahmen gegengesteuert wurde (Greenspan), kann es diesmal leicht zu einem vollstaendigen weltweiten Kollaps kommen.
Den Teilnehmer(inne)n des Gelben Forums sind solche Gedanken aber ohnehin vertraut.
[Nachtrag aufgrund PM:]
Frage:
"Welche Folgen kann das auf die Materialien haben, strahlen die dann auch und sind unbrauchbar? Also z. Bsp. Stahl, Elektronikteile, Plaste + so, inwieweit wär dann die Exportindustrie betroffen. Wäre das Zeug dann tatsächlich so verseucht, dass man es nicht mehr verkaufen kann. Die psychol. Seite des Auslands sieht dann sicher noch schlimmer aus, wer kauft noch "event." verseuchtes + radioakt. verdrecktes Exportgut."
Nein, das halte ich fuer viel weniger kritisch. Lebende Organismen (Pflanzen und Tiere) lagern radioaktive Substanzen ein, reichern sie ueber mehrere Stufen der Nahrungskette z.T. mehrtausendfach an.
Anorganische Gegenstaende, etwa Metallverkleidungen, Plastik usw. dagegen werden hoechstens voruebergehend oberflaechlich kontaminiert und sind leicht zu reinigen.
Was anderes ist es, wenn, wie auch bei uns schon geschehen, radioaktiver Schrott illegal normalem Stahl etc. beigemischt wird. Niemand steht ja mit dem Geigerzaehler im Schraubenladen. Aber in Fukushima wird ueber Jahrzehnte, ebenso wie in Tschernobyl, niemand den Schweissbrenner oder den Trennschleifer schwingen, von dort droht also der Stahlindustrie weniger Gefahr als uns in Deutschland durch die Atomkraftwerke, die wieder zur gruenen Wiese gemacht werden sollen und deren Schrott man gerne unter nicht-belasteten mischt und solange verduennt, bis er unter dem Grenzwert liegt. "The solution to pollution is dilution".
"Auch die Folgen für die Infrastruktur, abgesehen von den EB Schäden, sind bei einer Verseuchung sicher gravierend. Wenn die Gegend um die F. AKWs für min. 30 km a la Tschernobyl auf Jahre hin unbrauchbar ist, muss man "Umwege" finden, nicht so leicht bei Japans Geographie."
In der Tat, mehr lang als breit. Wie sagte Kishon zum Touristen auf Wanderurlaub in Israel (vor 1967): "Und was machen Sie am Nachmittag?".
Ja, es besteht die reale Gefahr, dass Japans Hauptinsel entlang einer Linie Fukushima/Yamagata zweigeteilt wird. Aber Zypern kennt das ja auch, wir hatten unseren antifaschistischen Schutzwall und in Indonesien faehrt man auch laufend mit dem Schiff hin und her. Das kann einen Seemann doch nicht erschuettern.